Donnerstag, 8. Oktober 2009

Worte des Geistes - Worte des Lebens


Warum sind Gethsemane und Golgatha notwendig für das Heil der Welt? Der Konflikt Christi mit der Welt ist absolut unbegreiflich. Wenn wir die Leiden von Millionen von Menschen sehen, können wir nicht gleich- gültig bleiben. Wie können wir ihnen dienlich sein? Aus christlicher Sicht ist diese Tragödie auf Erden die Folge des Ungehorsams. Adam strebte nach dem Zustand der Vergottung, dem ewigen Leben, indem er das Band mit seinem himmlischen Vater und Schöpfer zerriss. Christus als Mensch war der erste in der Ge- schichte der Menschheit, der den Berg Golgatha erstiegen hat. Er hat den allerschmerzvollsten Tod gewählt, um diesen Fluch zu brechen. Sich zu entscheiden, Christus zu folgen, bedeutet, sich dem Leiden auszulie- fern. Das ist unvermeidlich! Insofern wir seit Erschaffung der Welt eine Zelle des großen Leibes der gesam- ten Menschheit sind und das kosmische Leben durch uns fließt, leben wir die Tragödie der Menschheit als unsere eigene Tragödie.

Wenn wir das Evangelium lesen, erstaunen uns die Reaktionen Christi auf alles, was rund um Ihn geschieht. Als Judas sich aufmacht, um Ihn zu verraten, sagt Er: ,,Nun ist der Menschensohn verherrlicht." In jeder Liturgie feiern wir diesen Augenblick und wiederholen ihn in unserem Bewusstsein. Wenn eine feindliche, gegnerische oder militärische Macht uns ergriffe, um uns zu töten, wären dann auch wir imstande zu sagen: "Nun werde ich verherrlicht, und Gott wird durch mich verherrlicht?" Ihr alle kennt diese Geschichte; sie ist der eigentliche Inhalt unseres täglichen Lebens.

Es gibt viele sehr subtile und Interessante Aspekte im geistigen Leben. Aber wir können ihrer beraubt wer- den, wenn wir in den äußeren Schwierigkeiten steckenbleiben. Um unser Leben zu ändern, bedürfen wir einer Askese; wir müssen lernen, unseren Geist von den banalen niederen Dingen und den Leidenschaften weg und zu Gott hin zu lenken. Auf diese Weise kann unser Leben sehr interessant werden, selbst wenn es stets mit schmerzhafter Anstrengung verbunden ist. Wir dürfen keineswegs versuchen, uns diesem Schmerz zu entziehen. Lebt ihn! Gerade dadurch drücken wir unser Verlangen aus, Christus zu folgen.

Es ist sehr schwierig zum Ausdruck zu bringen, was dies bedeutet: "Nehmt euer Kreuz auf euch und folget mir nach." Wenn wir Christus wählen, müssen wir uns bewusst machen, dass es um die Liebe des Vaters, die Liebe des Sohnes, die Liebe des Heiligen Geistes in dieser Welt voller Leiden geht. Wenn es keine Auferstehung gibt, sind die Christen die unglückseligsten Menschen der Welt, sagt der heilige Paulus. Warum? Weil die Liebe Christi in dieser Welt immer gekreuzigt wird. Unser Leben wird ein unaufhörliches Leiden sein, bis die Welt als Ganzes errettet sein wird.

Weil Gott Liebe ist, werden wir Christen, und nicht, weil dies uns eine irdische Karriere erleichtert. In un- serem Leben als Christen sind wir einzig glücklich wegen Christus, wegen des Bewusstseins, dass Er die wahrheit ist, und aus keinem anderen Grunde.

Ein Besucher des Berges Athos richtete einst folgende Frage an mehrere Starzen: "Was ist das Wichtigste in unserem Leben?" Jedesmal erhielt er die gleiche Antwort: "Es ist die Liebe Gottes - Gott zu lieben und seinen Nächsten zu lieben." Und er bemerkte: "Ich habe keine Liebe, weder für das Gebet, noch für Gott, noch für die anderen. Was soll ich tun?" Da beschloss er bei sich selbst: "Ich werde so tun, als ob ich diese Liebe hätte." Dreißig Jahre später schenkte ihm der Heilige Geist die Gnade der Liebe.

Unvermeidlich werden wir Stunden, Wochen, sogar Jahre durchleben, ohne das Wirken des Geistes in uns wahrzunehmen. Dies sind wichtige Zeitspannen, in denen wir die Gelegenheit haben, die Treue unserer Liebe zu Christus zu beweisen. Selbst wenn wir das Wirken der Gnade nicht wahrnehmen, müssen wir so leben, als wohne der Heilige Geist in uns. Starez Siluan war der Ansicht, dass, wenn wir die Gebote Gottes treu halten, sich einst die Zeit erfüllen wird, da die Gnade sich offenbart und immer in uns bleiben wird. Es ist also nicht vonnöten, sich zu übereilen. Manche Väter vorn Berg Athos haben erst nach vierzig Jahren des Kampfes oder gar erst kurz vor ihrem Tode große Gnade empfangen und Gott erkannt.

Zu Beginn belehrt uns die Gnade und bewirkt in uns, dass wir gemäß dem Geist der Gebote des Evangeli- ums handeln Alles fällt leicht. Die stete Anwesenheit des Heiligen Geistes erzeugt in uns ein Wohlwollen gegenüber den anderen. Dies ist wie eine ganz normale, natürliche Haltung. Aber dies ist nicht von Dauer. Eines Tages verlässt uns die Gnade in dieser fühlbaren Form. Eine zweite, schwierige Phase beginnt, in der die Frage auftaucht: "Wie ist es nur möglich, ohne Gnade zu leben?" Man muss einfach so weiterleben, als ob der Heilige Geist mit uns sei; man muss sich bemühen, die gleiche Lebensform zu wahren, in der wir durch die Gnade gewisse Einstellungen unseren Brüdern und Schwestern gegenüber erworben haben. Darin muss man sich Gewalt antun. Ebenso mit dem Gebet. Am Anfang ist es wie ein natürlicher Zustand. Das Beten fällt leicht: Das Gebet quillt spontan aus dem Herzen. Wenn der Heilige Geist uns verlässt, müssen wir uns zwingen, so zu beten wie zuvor, als wir uns noch im Zustand der Gnade befanden - mit unserem ganzen Sein, mit unserem ganzen Herzen, mit unserem ganzen Denken und sogar mit unserem ganzen Körper.

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