Mittwoch, 28. Oktober 2009

Von der wahren Buße und vom seligen Leben

Es dünkt viele Leute, sie müßten große Werke in äußeren Dingen tun, wie Fasten, Barfußgehen und dergleichen mehr, was man Bußwerke nennt. Die wahre und allerbeste Buße (aber), mit der man kräftig und im höchsten Maße Besserung schafft, besteht darin, daß der Mensch sich gänzlich und vollkommen abkehre von allem, was nicht völlig Gott und göttlich an ihm selbst und an allen Kreaturen ist, und sich gänzlich und vollkommen seinem lieben Gott zukehre in einer unerschütterlichen Liebe, dergestalt daß seine Andacht und sein Verlangen zu ihm groß seien.


In welchem Werk du mehr davon hast, in dem bist du auch gerechter; je mehr das zutrifft, um ebensoviel ist die Buße wahrer und tilgt um so mehr Sünden, ja, selbst alle Strafe. Ja, fürwahr, du könntest dich rasch in Kürze so kräftig mit solch echtem Abscheu von allen Sünden abkehren und dich ebenso kräftig Gott zuwenden, " daß, hättest du alle Sünden getan, die von Adams Zeiten an je geschahen und hinfort je geschehen werden, dir das ganz und gar vergeben würde mitsamt der Strafe, so daß, wenn du jetzt stürbest, du hinführest vor das Angesicht Gottes.


Dies ist die wahre Buße, und die gründet insbesondere und am vollkommensten auf dem würdigen Leiden im vollkommenen Bußwerk unseres Herrn Jesu Christi. Je mehr sich der Mensch darein einbildet, um so mehr fallen alle Sünden und Sünden- strafen von ihm ab. Auch soll sich der Mensch gewöhnen, sich in allen seinen Werken allzeit in das Leben und Wirken unseres Herrn Jesu Christi hineinzubilden, in all seinem Tun und Lassen, Leiden und Leben, und halte hierbei allzeit ihn vor Augen, so wie er uns vor Augen gehabt hat.


Solche Buße ist (nichts anderes als) ein von allen Dingen fort ganz in Gott erhobenes Gemüt. Und in welchen Werken du dies am meisten haben kannst und durch die Werke hast, die tue ganz freimütig. Hindert dich aber ein äußeres Werk daran, sei's Fasten, Wachen, Lesen oder was es auch sei, so laß freiweg davon ab, ohne Besorgnis, daß du damit irgend etwas an Bußwerk versäumest.


Denn Gott sieht nicht an, welches die Werke seien, sondern einzig, welches die Liebe und die Andacht und die Gesinnung in den Werken sei. Ihm ist ja nicht viel an unseren Werken gelegen, als vielmehr nur an unserer Gesinnung in allen unseren Werken und daran, daß wir ihn allein in allen Dingen lieben. Denn der Mensch ist allzu habgierig, dem's an Gott nicht genügt. Alle deine Werke sollen damit belohnt sein, daß dein Gott um sie weiß und daß du ihn darin im Sinne hast; das sei dir allzeit genug. Und je unbefangener und einfältiger du ihn im Blick hältst, um so eigentlicher büßen alle deine Werke alle Sünden ab.


Daran auch magst du denken, daß Gott ein allgemeiner Erlöser der ganzen Welt war, und dafür bin ich ihm viel mehr Dank schuldig, als wenn er mich allein erlöst hätte. So auch sollst du (für dich) ein allgemeiner Erlöser alles dessen sein, was du durch Sünden an dir verderbt hast; und mit alledem schmiege dich ganz an ihn, denn du hast mit Sünden verderbt alles, was an dir ist: Herz, Sinne, Leib, Seele, Kräfte und was an und in dir ist; es ist alles ganz krank und verdorben. Darum flieh zu ihm, an dem kein Gebrechen ist, sondern lauter Gutes, auf daß er ein allgemeiner Erlöser für alle deine Verderbnis an dir sei, innen und außen.


Meister Eckhart



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